Pferde die gnadenlos geschlagen werden, damit sie noch schneller laufen, Pferde, die stürzen, Pferde, die zusammenbrechen – wenn es um Turnier- und Rennpferde geht, ist das Internet voll mit solchen Videos.

Einzelfälle? Oder sind Sportpferde per se gequälte Tiere, die ein Leben in Leid führen?

Missverständnis oder berechtigte Sorge?

„Es ist wichtig, die Spreu vom Weizen zu trennen“, macht Dr. Camie Heleski deutlich. Gemeinsam mit Kollegen hat die Trainerin und Beraterin des Zentrums für Pferdeforschung und -management der Universität von Kentucky in Lexington einen wissenschaftlichen Blick auf die Ethik im Pferdesport geworfen.

Der Einsatz der Gerte, das vorzeitige Töten von Pferde, deren aktive Rennzeit abgelaufen ist, der Einsatz sehr junger Tiere im Rennsport, die Nutzung von Medikamenten und schlussendlich der Umgang mit den Tieren hinter den Kulissen – all diese Punkte, die immer wieder bemängelt werden, waren im Fokus der Wissenschaftler.

Inzwischen liegt die Zusammenfassung der Arbeit des Teams vor. Diese hilft nicht nur dabei, die oft gerechtfertigte Sorge von Zuschauern und Tierschützern ernst zu nehmen und umzusetzen, sondern auch dort aufzuklären, wo der Blick des Laien zu Missverständnissen führt.

Schläge sind keine Option

Auf ein Pferd einzuschlagen, macht es nicht schneller, so die klare Aussage der Expertin. Dies ist Ergebnis zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen.

Ist ein Pferd über ein fachkundiges Training darauf konditioniert, dass es schnell galoppiert, wird es das auch tun – unabhängig vom Einsatz einer Gerte. War das Training unzureichend, dann wird auch diese das Tier nicht dazu bringen, schneller zu laufen. Im Gegenteil, der in vielen Studien belegte Schmerz, den die Schläge verursachen, mündet oft darin, dass das Tier komplett verweigert.

Heleski fordert daher ganz klare Regeln, was den Einsatz der Gerte im Pferdesport anbelangt. Sie jedoch ganz beiseite zu legen, ist für die Wissenschaftlerin keine Option, denn eine Gerte kann dem Jockey dabei helfen, die Aufmerksamkeit seines Pferde zu fokussieren. Bei gutem Training und Konditionierung genügt hierfür bereits eine ganz leichte Berührung.

Ein zweites Leben

Das vorzeitige Töten von Pferden nach ihrer aktiven Rennzeit sei laut Heleski ein Problem, dessen sich die gesamte Pferdesportindustrie nicht nur bewusst sei, sondern dem sie auch schon seit geraumer Zeit aktiv entgegen wirkt.

Längst sei man sich darüber im Klaren, dass Pferde auch nach ihren Tagen als Sportler noch ein langes und erfülltes Leben vor sich haben, wenn ihr Bewegungsdrang kanalisiert wird.

Preisgelder werden inzwischen in spezielle Rückbildungs- und Umtrainierungsprogramme gesteckt, Adoptionsgelder für ehemalige Rennpferde niedrig gehalten und Vermittlungszentren für diese Tiere eingerichtet. Das Ergebnis beobachtet die Wissenschaftlerin direkt vor ihrer Tür in Lexington, aber auch immer mehr im Umfeld von Rennanlagen: Ehemalige Vollblut-Rennpferde haben ihre ganz eigene Fangemeinde, denn sie sind nach einem gezielten Training immer noch erstklassige Reitpferde.

Stabil durch frühen Start

Auch dass zu junge Pferde auf die Rennbahn geschickt werden, hält Heleski nicht für ein ernsthaftes Problem. Im Gegenteil: Neueste knochenphysiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass eine sensible und vorsichtige Konditionierung von 2jährigen weitaus besser für deren Gesundheit wie auch für die Stabilität des Skelettes ist, als mit dem Training erst im Alter von 3, 4 oder 5 Jahren zu beginnen. Voraussetzung dafür ist das Wissen um Knochenbau und Wachstum, um Belastbarkeit und physische Voraussetzungen der jungen Tiere.

Komplizierter ist die Sache mit der Medikation von Pferden. Aus medizinischer Sicht sei es kein Problem, z.B. Mittel gegen pulmonale Blutung einzusetzen, so die Expertin. In den meisten Fällen sei dies sogar sinnvoll. Dennoch hielten sich die Vorurteil gegen Medikamentengaben bei Rennpferden derart hartnäckig, dass es immer wieder zu Diskussionen und Protesten komme. „Am Ende wird es vermutlich darauf hinauslaufen, dass jegliche Medikation verbannt wird“, so Heleski.

Was ihr vor allen Dingen aber Sorge bereitet, ist der Umgang mit den Tieren hinter den Kulissen und zwischen den Rennen und Trainingseinheiten. In den meisten Fällen verbringen die auf Bewegung konditionierten Tiere viel Zeit im Stall. Zu viel, meint Heleski.

Immer noch ist es unüblich, die Tiere in ihrer „Freizeit“ auf der Weide mit anderen Pferden laufen und grasen zu sehen, nicht zuletzt weil Halter und Investoren mögliche Verletzungsquellen ausschließen wollen.

Dass dies nicht immer das Beste für die Pferde ist, haben zahlreiche Untersuchungen gezeigt. Kontakt zu Artgenossen, die Bewegung jenseits von Training und Anspruch, die frische Luft – all dies trägt wissenschaftlich erwiesen zum Wohl der Tiere und damit auch zu ihrer Motivation bei. Aber bisher gibt es nur wenige Stallungen und Halter, die es wagen, diese Erkenntnisse umzusetzen.

Heleski regt dazu an, dass Rennbahnen Bereiche einrichten, in denen die Tiere sich frei bewegen können und dass Halter ihre jungen Pferde im Training nicht isolieren, sondern sie gemeinsam mit Tieren, die nicht für Rennen ausgebildet werden, aufwachsen lassen.

Schulden begleichen

Zusammenfassend appelliert Heleski an die Pferdesportindustrie, bei aller Konkurrenz stets das Wohl des Tieres in den Mittelpunkt zu stellen. Und das über seine gesamte Lebenserwartung hinweg. Auch dann noch, wenn das Tier seine aktive Zeit hinter sich hat.

„Wenn wir diese wundervollen Tiere im Sport einsetzen, dann schulden wir ihnen auch ein Leben, das so leicht wie möglich ist“. Das umfasst das Wohlergehen der Tiere beim Training, in der Freizeit, auf der Rennstrecke und auch im Alter.

Auch in den Kursen der AKA wird darauf eingegangen, wie Sport und Tierwohl miteinander vereinbar sind. Dort lernst du alles rund um das Wohlergehen von Rennpferden, von Knochenbau bis Konditionierung, wie ein pferdezentrisches Training aussieht und was du tun kannst, wenn du ein leistungsstarkes Tier übernommen hast, das schlecht ausgebildet wurde. Die Belohnung ist ein hochmotiviertes Tier, das vielleicht der nächste Star auf der Rennbahn wird.

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