Immer dann, wenn Dein Pferd an dieser einen Stelle auf dem Hof vorbeikommt, bockt es, will nicht weitergehen oder zeigt alle Anzeichen von Angst. Dabei ist doch gar nichts los. Oder? Vielleicht nicht hier und jetzt, aber in der Vergangenheit: Ein wissenschaftliche Studie der erfahrenen Behavioristin Léa Lansade (siehe auch Lansade-Persönlichkeitstest in diesem Blog-Betrag) belegt, dass Pferde sich ganz genau merken, was sie an bestimmten Orten erlebt haben. Das innerhalb kürzester Zeit und schon bei einem einmaligen Ereignis. Und nicht nur das: Wie die Studie zeigt, beeinflusst diese Assoziation auch die Lernfähigkeit des Tieres – und das oft langfristig.

Erinnerungen wissenschaftlich erforscht

Lansade und ihr Team vom Nationalen Institut für agrikulturelle Forschung in Tours kreierten für eine Anzahl Stuten ein Testumfeld, dass die Tiere negative, positive wie auch neutrale Erfahrungen mit einer ganz bestimmten Box verbinden ließ. Diese Box war klar von den anderen zu unterscheiden, sei es durch die Geräuschkulisse oder durch ihr Aussehen. Ein Drittel der Tiere erlebte in diesem Stall schlicht nichts, das zweite Drittel wurde in der Box gefüttert, hatte also ein positives Erlebnis an diesem Ort. Das letzte Drittel wurde einem erschreckenden, stressigen Erlebnis ausgesetzt. Ein plötzliches lautes Geräusch, ein Ball, der in die Box geworfen wurde oder Wasser, dass plötzlich in die Box schoss.

Nur wenig später absolvierten alle drei Gruppen ein Training in eben dieser Box. Es ging darum, eine versteckte Leckerei unter einem von mehren Kegel zu finden. Ein Trainer deutete dabei auf das Versteck. Es wurde nicht nur protokolliert, wie schnell die Tiere diese Aufgabe meisterten, sondern auch, ob sie den bewussten Kegel noch auf den Hinweis das Trainers hin ansteuerten und untersuchten, obwohl längst kein Futter mehr darunter lag.

Alle drei Pferdegruppen erlernten die Aufgabe in der gleichen Geschwindigkeit, es gab keine signifikanten Unterschiede. Wohl aber in den langfristigen Lernergebnissen. War das Futter verschwunden, hörten die Pferde, die die Box mit einem positiven Erlebnis assoziierten, deutlich schneller damit auf, nach einer Belohnung zu suchen. Sie verstanden zügiger, dass die Situation sich geändert hatte. Im Gegensatz zu den Tieren, die ein verstörendes Erlebnis in der Box gehabt hatten. Sie zeigten sich unflexibel und steuert den vom Trainer gezeigten Kegel immer noch an, auch wenn längst kein Futter mehr darunter lag. Ganz speziell galt dies für eher ängstliche Tiere, so Lansades Beobachtung. Sie warnt in diesem Zusammenhang aber davor, voreilige Schlüssen aus der Gleichförmigkeit des ersten Lernschrittes zu ziehen. Wäre der Stressfaktor höher gewesen, hätte er auch die Fähigkeit, die Aufgabe überhaupt zu meistern, beeinflusst, so ihre These.

„Pferde, die vorab eine positive Erfahrung mit dem Stall gemacht hatten, waren weitaus flexibler und deutlich besser in der Lage, ihr Veralten der veränderten Situation anzupassen“, so die Behavioristin. Sie verstanden signifikant schneller, dass etwas anders war und reagierten entsprechend, während die Tiere, die eine beängstigende Erfahrung gemacht hatten, ihr Verhalten quasi automatisierten.

Jede Erfahrung hinterlässt ihre Spuren

Das Experiment zeigt, dass jede Erfahrung, die ein Tier an einem bestimmten Ort macht, seine Spuren hinterlässt und im Gedächtnis verhaftet bleibt. Und das bereits bei einem einmaligen Geschehen und oft viel länger, als wir annehmen. Wer sein Pferd an einem Ort trainiert, an dem es positive Erfahrungen gemacht hat, wird es mit einem Tier zu tun haben, das mit Freude lernt, das weitaus besser formbar ist und das beim Training quasi mitdenkt – während ein verängstigtes Tier, das den gleichen Ort mit einer erschreckenden oder stressigen Erfahrung verbindet, die Fähigkeit, sich einer Situation flexibel anzupassen und neue Dinge aufzunehmen, für diesen Ort (in Teilen) eingebüßt hat. Es bleibt nur der Weg, das Training an einem anderen Ort fortzusetzen – oder die negative Erfahrung in kleinen Schritten zu revidieren.

Wie das Gedächtnis und das Erinnerungsvermögen von Pferden funktionieren und wie Du es für Dich im Training einsetzen kannst, lernst Du in den Kursen der AKA. Einen Einblick dazu bieten auch die Videos von Andrea Kutsch (z.B. Angst vorm Sattel). Und die Stelle auf dem Hof an der immer gebockt wird? Ach, ja, da war doch neulich der Tierarzt zu Besuch und hat diese unangenehme Spritze gesetzt… Und jetzt? Wie Du solche negativen Erfahrungen via Shaping und ganz kleinen Schritten wieder rückgängig machen kannst – auch das lernst Du in den Seminaren der AKA.

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