Manchmal geht es nur um Sekundenbruchteile – und genau die können das Verhalten von Pferden komplett verändern. Im positiven oder vielleicht auch negativen Sinne für den Besitzer, Reiter oder Pferdetrainer. Dabei hilft Wissen über das natürliche Reaktionsvermögen des Pferdes, das ich kennen muss, wenn ich ohne Missverständnisse meinem Pferd Sicherheit geben möchte.

Die Rede ist von positiven wie negativen Verstärkern. „Damit das Pferd diese Form der Konditionierung mit seinem Verhalten in Verbindung bringt, damit eine Konditionierung überhaupt funktionieren kann, ist Schnelligkeit gefragt, denn Pferde nehmen Zusammenhänge weitaus schneller wahr als wir Menschen“, weiß Andrea Kutsch.

Blitzschnelle Pferdereaktion ist ein Überlebensinstinkt

Die Fähigkeit des schnellen Erfassens ist ganz grundlegend im Verhalten der Pferde verankert und einer der wichtigsten Überlebensmechanismen von Wildpferden: Ohne eine blitzartige Reaktion auf minimalste Veränderungen in der Umgebung kann einzelnen Tieren oder auch der ganzen Herde in der freien Wildbahn Lebensgefahr drohen.

Das Prinzip macht sich Andrea Kutschs Methode EBEC (Evidence Based Equine Communication) zunutze. Wissenschaftliche Studien stützen diesen Ansatz und zeigen wieder mal auf, wie wertlos eine Peitsche im Rahmen der Konditionierung ist und warum ihr Einsatz in der Anwendung von EBEC ein No-Go ist.

EBEC erneut wissenschaftlich belegt

Ausgerechnet am Reizthema „Gerte“ zeigt Angelo Telatin, Professor für Pferdestudien an der Delaware Valley University in Pennsylvania, wie wichtig es für den Rennsport ist, diesen Mechanismus bei der Konditionierung von Pferden im Hinterkopf zu haben. Seine Ergebnisse sind richtungsweisend und auf jede Form des Trainings übertragbar. Und sie stützen die weltweit einzigartige Methode des wissenschaftlich basierten Pferdetrainings, der in der AKA entwickelt wurde und auch nur in der AKA erlernbar ist.

Die Gerte taugt nicht, um Verhalten zu steuern

In dieser Pilotstudie wurde Sportpferden via Berührungen mit der Gerte eine neue Aufgabe beigebracht. Sie diente dabei als negativer Verstärker – sobald das gewünschte Verhalten gezeigt wurde, verschwand also der unangenehme Reiz. Die Pferde wurden in dem Versuch zudem mittels Scheuklappen daran gehindert, die Körpersprache des Trainers wahrzunehmen. Der negative Reiz wurde in verschieden Zeitabständen eingesetzt bzw. entfernt: Von 3 Sekunden über 1,5 Sekunden bis zu weniger als einer Sekunde. Das Ergebnis: Den Pferden war es ganz klar nicht möglich, das Entfernen des negativen Reizes in Verbindung mit dem bereits gezeigten gewünschten Verhalten zu bringen.

Buckeln oder Steigen können die Konsequenz sein

Wer sein Pferd auf ein bestimmtes Verhalten konditionieren möchte, sollte dies also immer im Hinterkopf haben. Der Umkehrschluss liegt ebenso nahe: Wer ein Pferd, das bereits das gewünschte Verhalten zeigt, dann immer noch mit der Gerte traktiert, wer glaubt, mit weiteren Berührungen oder gar Schlägen „noch mehr“ des gewünschten Verhaltens in ein Tier „einprügeln“ zu können, wird es schon sehr bald mit einem Pferd zu tun haben, dass allein schon aus lauter Verwirrung, wenn nicht aus Schmerz, alles tun wird, um dem negativen Reiz auszuweichen. Die Folge ist unerwünschtes Verhalten wie Buckel und Steigen, ganz einfach, weil es auf Basis seines Instinktverhaltens gar keine Chance hat, die gesendete Botschaft zu entziffern. Im Gegenteil, wenn das Pferd das gewünschte Verhalten zeigt, sich z.B. also vorwärtsbewegt und dann weitere oder kurz aufeinander folgende, erneute Berührungen mit der Gerte erfährt, wird es dies als Strafe für eben jenes gewünschte Verhalten decodieren – und im Zweifel eher langsamer werden.

Besser ohne Gerte

Telatin stützt damit die Ergebnisse der untersuchten Thesen der AKA, auch er sieht dies besonders kritisch im Zusammenhang damit, dass im Rennsportbereich immer wieder diskutiert wird, die Einsatzfrequenz der Gerte zum Wohlbefinden der Tiere reduzieren. Variierende oder unkontrollierte, konzeptlose Frequenzen schaffen nur neue Probleme für Tier und Reiter und schaden damit dem Pferd eher als sein Wohlbefinden zu steigern. „Selbst wenn die Peitsche oder Gerte – richtig eingesetzt und dazu gehört auch die Schmerzfreiheit – ein wirkungsvolles Mittel der Erziehung und des Pferdetrainings sein kann, bringt sie doch so viele Risiken kommunikativer Missverständnisse mit sich, dass sie in EBEC keine Anwendung findet“, erläutert Andrea Kutsch.

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