Wenn du an einem klirrend kaltem Wintertag Pferde auf die von Schnee bedeckte Koppel bringst, kann es sein, dass ein Pferd durch das Paddock bockt und rennt oder mit allen Hufen in die Luft springt.
Oder vielleicht ist dein Pferd nach einer Phase regnerischen Wetters auf den Ausreitwegen temperamentvoll und schwer zu bremsen? Pferdebesitzer erklären dann oft: “Mein Pferd ist lebhaft, weil es draußen kalt ist!” Aber wie wird das Verhalten eines Pferdes wirklich von niedrigen Temperaturen beeinflusst?
Wie Pferde sich in der Kälte warmhalten
Wenn es kalt, nass und windig ist, kann das Erhalten der Körperwärme eine Frage von Leben und Tod sein. Vorfahren der wilden Pferde haben sich an Klimazonen mit eisigen Wintern, viel Schnee und begrenzter Nahrung angepasst.
Einige domestizierte Rassen sind besser für kalte und feuchte Bedingungen der Winterlandschaft geeignet als andere, aber die meisten gesunden Pferde können ihre normale Körpertemperatur von etwa 100°F (ca. 37 Grad Celsius) über einen weiten Bereich von Außentemperaturen aufrechterhalten. Doch wenn das Thermometer unter 5-10°F (-10-15 Grad Celsius) fällt – die untere Grenze ihrer “thermo-neutralen Zone” – müssen Pferde verschiedene Strategien anwenden, um im Eis gefährlichen Wärmeverlust zu verhindern.
Besser entspannt durch den Pferde-Winter
Lebhaftes Laufen, Buckeln und sonstiges frisches Verhalten verbrennt wertvolle Kalorien und ist deshalb keine Strategie, die Pferde anwenden, um sich bei Kälte warm zu halten. Stattdessen sparen sie Energie, kuscheln sich zusammen und suchen Schutz.
Im Sommer neigen Pferde dazu, Unterschlupf vor stechenden Insekten zu suchen. In der kalten Jahreszeit verwenden sie ihn eher, um den Verlust von Körperwärme bei Regen zu verhindern. Doch wenn es kalt und gleichzeitig trocken ist, suchen Pferde nicht unbedingt den Schutz vor Kälte.
Pferde sind optimal dafür ausgestattet, der Kälte des Winters zu widerstehen. Das gilt ganz besonders für kleinere Pferde und Ponys. Sie sind ideal auf kaltes Wetter eingestellt, da sie weniger Oberfläche haben, über die sie Wärme verlieren. Ein dichtes Winterfell nach dem Fellwechsel und Körperfett bieten zusätzlich Isolierung vor der Kälte. Scheren und Decken halten das Fell des Pferdes kurz und sauber, könnten jedoch die natürlichen isolierenden Eigenschaften des Fells beeinträchtigen.
Im Winter lassen Pferde es ruhig angehen
Ergebnisse mehrerer Forschungsstudien legen nahe, dass Pferde tatsächlich weniger aktiv sind, wenn das Wetter kalt und nass ist. Zum Beispiel verbringen isländische Pferde während strenger, kalter und regnerischer Winter in Norwegen im Vergleich zu anderen Jahreszeiten weniger Zeit mit Laufen und Spielen, aber die gleiche Menge Zeit mit Fressen, Gehen und Schlafen.
Wildpferde vom Przewalski-Typ4 und Shetlandponys sind ebenfalls im Winter weniger aktiv. Interessanterweise können sie Energie sparen, indem sie die metabolischen Prozesse des Körpers verlangsamen – ein Zustand, der als winterlicher Hypometabolismus bezeichnet wird, was eine Anpassung an Bedingungen von Nahrungsmangel und raues Wetter sein könnte.
Bei regelmäßigem Zugang zu Nahrung und Schutz im Winter haben die meisten domestizierten Pferde keine Schwierigkeiten, die normale Körpertemperatur aufrechtzuerhalten, selbst an Orten, wo die kalte Jahreszeit das Thermometer regelmäßig auf eisige Werte sinken lässt.
Bewegung im Winter und Sozialisation
Pferde werden oft während der kalten, nassen Wintermonate häufiger im Stall gehalten und weniger bewegt als in der Turniersaison, die in vielen Regionen im Sommer ihren Höhepunkt erreicht. Anstatt eine erholsame Pause zu sein, kann die Herausforderungen der Winterzeit eine signifikante Veränderung in der Routine bedeuten, mit einem starken Rückgang der körperlichen Aktivität, geistigen Herausforderung, menschlicher Aufmerksamkeit und Sozialisierung mit anderen Pferden. Die Tageslänge ist im Winter auch kürzer, was bedeuten könnte, dass mehr Zeit in einer Box verbracht wird und weniger Zeit für Auslauf, Training und Reiten bleibt. Diese relativ eingeschränkte Winterlebensweise erklärt wahrscheinlich, warum einige Pferde in dieser Jahreszeit besonders lebhaft und temperamentvoll sind.
Wir an der AKA Andrea Kutsch Academy empfehlen daher, die Pferde täglich zu trainieren und energiereiches Futter anzupassen. Die Kraftfutter-Rationen bei weniger Auslauf reduzieren und ganztägig Heu zur Verfügung zu stellen, ist ein guter Tipp. Wenn man nicht reiten kann, dann ist die Arbeit an der Doppellonge eine sehr gute Alternative. Auf lange Aufwärmphasen im Schritt achten, Volten und Bahnfiguren einbauen und dann entsprechend ruhig beschleunigen. So sind die Pferde im Auslauf ausgeglichener. Keine gute Idee ist, das Pferd einmal am Tag in der Reithalle frei laufen zu lassen und mit der Bahnpeitsche anzutreiben, da es hier schnell zu unkontrollierten Bewegungen kommt und sich das Verletzungsrisiko erhöht. Zudem zeigen unsere Studien, das Pferde sich dann vom Menschen schnell getrieben und gejagt fühlen und Stress im Organismus entsteht, der die Pferde unnötig aufheizt. Wenn frei laufen lassen, dann in Ruhe ein wenig gehen lassen und den Energiehaushalt ablesen, danach Futter und Training anpassen.
Pferdehalter haben eine Verantwortung
Euer “lebhaftes” Pferd mag zwar unterhaltsam anzusehen sein und wirkt auf den Reiter lebendig unter dem Sattel, aber dieser Energieschub während kalten und regnerischen Wetters könnte ein Warnzeichen dafür sein, dass es insgesamt nicht genug Bewegung bekommt. Eine Winter-Routine sollte tägliche Möglichkeiten für Bewegung und Auslauf beinhalten. Wenn ein ganztägiger Auslauf nicht möglich ist, können einige Stunden am Tag in einer Arena oder auf der Weide helfen, besonders wenn es Zeit mit anderen Pferden beinhaltet. Aber wie gesagt – nicht hetzen oder treiben, sondern der Natur der Pferdewelt ihren Lauf lassen.
Wenn winterliche Bedingungen das Training einschränken oder verhindern, ersetze diese Zeit durch mehr Umwelt- und Sozialanreicherung. “Qualitätszeit” mit dem Pferd zu verbringen, wird die Mensch-Pferd-Beziehung stärken und kann die gymnastikzierende Arbeit an der Doppellonge einschließen, da das Spaß macht und geistig anspruchsvoll ist. Vor allem wenn man auch noch Stangenarbeit einbaut. Einige Pferde spielen gerne allein mit sicheren, robusten Spielzeugen, die man in die Halle oder den Auslauf legen kann. Ein langsamer Futterautomat ist auch ein gesundes Anreicherungsobjekt, das deinem Pferd stundenlang Beschäftigung bietet; es wird mehr Zeit mit Grasen verbringen und weniger Zeit stehen, was der natürlichen Aktivität freilaufender Pferde näher kommt. Aber darauf achten, dass mit dem Thema keine Frustration entsteht, wenn es zu schwer wird, an das Futter zu kommen.
Quellen:
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