Vertrauen und eine ruhige Atmosphäre fördern den Lernwillen des Pferdes. Das hat Andrea Kutsch 100-fach bewiesen. Doch was so entscheidend ist, wenn man effizient, aber vor allem auch pferdezentrisch ausbilden und trainieren will, ist bisher kaum erforscht. Erstmals stellt eine wissenschaftliche Studie jetzt sehr differenziert den Zusammenhang zwischen Stress, der Persönlichkeit des Pferdes und dem Lernergebnis her.
Verladen, Springen, Stillhalten… Egal ob man es mit Fohlen oder bereits ausgebildeten Pferden zu tun hat: Immer wieder stellen neue Aufgaben Ross und Reiter vor eine Herausforderung. Aber wie lernt ein Pferd am besten? Und welche Rolle spielen Stress und die Persönlichkeit des Pferdes dabei?
Eine gemeinsame Studie der Behavioristen Mathilde Valenchon und Lea Lansade, des Neurobiologen Frederic Lévy und der Tier-Kommunikationsforscherin Chantal Moussu zeigt: Egal mit welcher Art von Verstärker in der operanten Konditionierung gearbeitet wird, ob mit positivem oder negativem – Stress beeinflusst das Ergebnis immer und in jedem Fall negativ. In welchem Maß, das hängt sehr stark von dem Charakter des Pferdes ab.
Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, teilten die Forscher die Pferde in vier Gruppen zu je 15 Tieren ein. Die Tiere sollten auf das Handzeichen eines Trainers hin in einen von zwei Bereichen gehen. In der ersten Gruppe wurde die positive Verstärkung in Form von Futter als Belohnung angewandt und in der zweiten die negative Verstärkung.
Bei 30 Tieren geschah dies in einer entspannten Atmosphäre, die anderen 30 Pferde wurden unmittelbar vor der Übung Stressfaktoren wie Lärm und Unruhe ausgesetzt.
In Abwesenheit von externen Stressfaktoren zeigte sich im Lernerfolg kein Unterschied zwischen der Anwendung vom positiven und negativen Verstärker. Die Präsenz von externen Stressfaktoren beeinträchtigte vor allem den Lernerfolg bei der Anwendung des positiven Verstärkers (in dieser Studie in Form von Futter). Unter Stresseinfluss lernten die Pferde hier mit dem negativen Verstärker wesentlich besser.
Bereits vor dem Feldversuch hatten die Forscher die Persönlichkeit der Pferde anhand von Verhaltenstest beurteilt. Auch die unterschiedlichen Charaktere der Tiere hatten, abhängig vom Verstärker und Stresspräsenz einen Einfluss auf den Lernerfolg.
Die ängstlicheren Pferde der Gruppen lösten die Aufgabe bei der Anwendung vom negativen Verstärker, in der Abwesenheit von Stressfaktoren am besten. Bei vorangegangenem Stress dahingegen zeigten Sie die schlechteren Ergebnisse.
Im Gegenteil dazu, zeigten die ängstlicheren Pferde im Training mit Futter als Belohnung generell die schlechtesten Ergebnisse unabhängig davon, ob Stressfaktoren präsentiert wurden oder nicht.
Die Studie zeigt klar: Stress hat einen großen Einfluss auf Pferde. Eine ruhige, vertrauensvolle Atmosphäre fördert das Lernergebnis deutlich, akuter Stress beeinträchtigt es stark, unabhängig davon ob ein positiver oder negativer Verstärker verwendet wird, jedoch am deutlichsten wenn Futter als positiver Verstärker eingesetzt wird. Und: Jedes Pferd reagiert anders auf unterschiedliche Stimuli und Stressfaktoren. Eine weitere Aufforderung an den Trainer also, sich individuell mit dem Pferd auseinanderzusetzen, mit dem er arbeitet.
In der AKA nutzen wir zu jedem Zeitpunkt im Training Verstärker welche aus einer pferdezentrischen Perspektive stammen, denn Futter als Belohnung hat, wie die Studie zeigt, schon bei geringer Aufregung keinen Effekt. Ein Fluchttier in erhöhter Aufmerksamkeit oder Alarmbereitschaft nimmt keine Nahrung auf, das verbietet ihm seine natürliche Verhaltensweise. Die aus einer menschzentrischen Perspektive gewollte „Belohnung“ in Form von Futter kann also vom Pferd nicht angenommen/wahrgenommen werden, und findet somit aus einer pferdezentrischen Perspektive nicht statt.
Wie man für das Pferd jederzeit verständliche Verstärker aus den Instinkten und natürlichen Verhaltensweisen ableitet und das Pferd ruhig und stressfrei hält, damit Lernen optimal stattfinden kann, lernt man in den Lehrgängen der AKA.
Quelle: M. Valenchon, F. Lévy, C. Moussu, L. Lansade: Stress affects instrumental learning based on positive or negative reinforcement in interaction with personality in domestic horses