Pferde sind nicht nur zum Reiten da – das Zusammensein mit Pferden ist vielfältiger und gesünder als bisher angenommen.

Jeder der mit diesen wunderbaren Säugetieren zu tun hat, verbringt auch viel Zeit mit ihnen, auch Zeit in der nicht geritten wird. Beim Striegeln, Putzen, beim Ausmisten, Füttern, beim Führen oder der Gesunderhaltung.

Und wer ganz ehrlich ist, weiß: Genau in dieser Zeit entsteht die wirklich enge Verbindung zum Pferd, das Vertrauen, das ein sicheres und entspanntes Reiten für beide Seiten möglich macht. Das ist der Grund, warum viele Pferdewissenschaftler und Pferdetrainer sowie Equine Coaches eine pferdezentrisch ausgerichtete Bodenarbeit nach EBEC (Evidence-Based Equine Communication) als eine wichtige Basis der Interaktion zwischen Mensch und Pferd ansehen.

Entspanntes Miteinander

Wurde die Bodenarbeit früher genutzt, um dem Pferd via Dominanz Respekt vor dem Menschen beizubringen, zeigt die Wissenschaft längst, dass dieses Konzept Leadership und Dominanz überholt ist. Weder ist der Herdenverband in der freien Natur auf ein einziges dominantes Wesen ausgerichtet, noch nehmen Pferde Menschen überhaupt als gleichartige Wesen wahr. Was das Pferd bei der Bodenarbeit jedoch lernen kann ist, Regeln kennen und respektieren zu lernen – auf der Basis von Vertrauen durch vorhersehbare Kommunikation.

Die Macht des Auges

Doch was bedeutet das in der Praxis? A und O der Interaktion mit Pferden ist die Körpersprache, dazu zählt auch der Blickkontakt – vom Rücken des Pferdes her natürlich unmöglich. „Pferde sind feinfühlige Beobachter mit einer außergewöhnlichen Wahrnehmung“, weiß die auf Pferde spezialisierte Verhaltensforscherin Prof. Robin Foster, die u.a. an der University of Washington lehrt.

Pferde möchten uns sehen und nehmen bereits feinste Körpersignale auf. Erst auf dieser Ebene kann ein Dialog zwischen Reiter und Pferd überhaupt entstehen. Der Blickkontakt kann vielseitige Signale senden und effizient in der Kommunikation in Training und Ausbildung eingesetzt werden. Das kann die Basis dafür legen, was am Ende im Idealfall „blindes“ Verstehen zwischen Reiter und Tier bedeutet – so die Essenz ihrer Forschung.

Problemlösung

„Gute Bodenarbeit stimuliert das Gehirn des Pferdes, um seine Problemlösungsmechanismen zu fördern“, fasst Biochemikerin Dr. Lesley Hawson von der Charles Stewart Universität in Australien zusammen, wie lerntheoretische Ansätze nicht wie einst darauf zielen, ein Pferd zu „brechen“, sondern über Verstärkung, Shaping und ein positives Lernumfeld Motivation, Aufmerksamkeit und damit langfristige Erfolge zu erzielen.

Eine Bodenarbeit, die komplexe Aufgaben wie z.B. den Gang in den Hänger auf kleine Schritte herunterbricht, die Lernziele in sinnvoll aufeinanderfolgenden Aufgaben erreicht und steigert, ist die beste Basis, um untrainierte Pferde zu guten Reittieren zu machen – ohne sie durch Stressen oder Druck in eine unerwünschte Richtung zu konditionieren.

Nicht nur, weil sie einige der geforderten Aufgaben so überhaupt erst meistern können, sondern auch weil sie lernen, die feinen Signale des späteren Reiters aufzunehmen und zu befolgen. Ist dies etabliert, ist auch ein Werkzeug geschaffen, auf das in kritischen Situationen (z.B. Scheuen) zurückgegriffen werden kann.

Sicherheit für alle

Vorhersehbare Kommunikation, wie sie in EBEC zum Einsatz kommt, kann vom Boden und dem Sattel aus genutzt werden, um Pferden die Angst vor Dingen zu nehmen, die sie womöglich erschrecken könnten.

Laute Geräusche, unbekannte Gegenstände, schnelle Bewegungen – beim Reiten kann all dies zur Gefahr werden. Lernt das Tier bei der Bodenarbeit über Shaping oder positive Verstärkung, dass eine Tüte, ein Ballon, eine Autohupe keine Gründe zum Erschrecken sind, macht dies auch das Reiten viel sicherer.

Natürlich kann nicht jede Eventualität am Boden durchgespielt werden, aber das grundsätzliche Vertrauen, dass der Halter eine Gefahrensituation richtig einschätzt und an der Seite des Pferdes ist, wird geschult – darin sind Kutsch, Foster und Hawson sich einig.

„Die Fortschritte in der Bodenarbeit sind auch ein Hinweis darauf, ob ein junges Pferd überhaupt schon geritten werden kann“, so Hawson. Die Reaktion des Pferdes auf die Anwesenheit des Trainers, seine Fortschritte dabei, Signale wahrzunehmen und umzusetzen – all das zeigt, ob es schon sicher ist, das Pferd zu satteln und zu besteigen „Wer am Boden keine Kontrolle über die Bewegungen des Tiers hat, wird diese auf dem Rücken des Pferdes erst recht nicht haben“, so Booth.

Führung, Vertrauen, Verbindung

Vertrauen ist da, das Pferd hat alles gelernt, was es lernen muss und wird regelmäßig geritten – das Thema Bodenarbeit kann einen dann dennoch lebenslang mit dem Pferd verbinden: „Auch um das Pferd gut zu gymnastizieren, um den Rücken gelegentlich zu entlasten und relevante Muskelgruppen aufzubauen“, bestätigt Andrea Kutsch.

Etwas Bodenarbeit an der Doppellonge (nicht der Einzellonge) vor dem Reiten liefert wertvolle Informationen, ob das Pferd an dem betreffenden Tag unter Stress steht, ob es übersensibel ist und wie es auf Signale reagiert. Und natürlich ob womöglich ein akutes gesundheitliches Problem vorliegt, dass sich negativ auf das Reiten auswirken würde. 10 bis 15 Minuten Bodenarbeit an der Doppellonge geben dem Pferd zudem die Gelegenheit, warm zu werden, seine Muskeln zu aktivieren und zu prüfen, ob der Sattel in Postion bleibt.

Im Alter

Verletzte oder alte Tiere, die nicht mehr geritten werden können, genießen Bodenarbeit besonders. Die Verbindung zum Menschen, die Stimulation von Muskeln und Gewebe und die Reize, die das Gehirn auf Trab halten, sind unverzichtbar für Tiere, die ihr Leben lang aktiv waren. Alte oder verletzte Tiere, die zur Untätigkeit verbannt werden, bauen stark ab und leiden extrem unter der fehlenden Forderung. Bodenarbeit ist der beste Weg, ihnen das nicht anzutun.

Training für den Menschen

Ohne gute Bodenarbeit geht es also nicht, da sind sich die Wissenschaftler einig. Aber auch die will gelernt sein.

Das setzt zunächst die Akzeptanz voraus, wie wichtig der regelmäßige Umgang mit dem Pferd auf dieser Ebene ist. Booth und Hawson empfehlen aufgrund ihrer praktischen und akademischen Erfahrung, ein wissenschaftlich basiertes pferdezentrisches Training, wie es in der AKA gelehrt wird, von der Pike auf zu lernen, denn der Boden ist auch der Ort, an dem der künftige Reiter an sich arbeitet.

Der Einsatz von positiven und negativen Verstärkern, von Shaping und Konditionierung zur Vertrauens- und Ausbildung erfolgt nach Regeln, die auf die Möglichkeiten des Pferdes abgestimmt sind. Das Wissen um den zeitlich engen Zusammenhang eines Reiz-Reaktions-Musters (siehe auch mein Video zur Konditionierung) um die Wahrnehmung und um die physischen Voraussetzungen von Pferden, die das Training bestimmen, sind der essentielle Grundstock.

Unsere Blogartikel und Videos greifen viele dieser Themen auf, die Seminare in der AKA zeigen, wie eine wissenschaftlich basierte Bodenarbeit mit EBEC praktisch so funktioniert, dass euer Training entspannt für Tier und Mensch verläuft, euer Pferd euch vertraut und die Bodenarbeit von Erfolg gekrönt ist.

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