Ein Pferd ist ein Fluchttier, im Zweifel hängt sein Leben davon ab, dass es blitzschnell reagiert. Die Reaktionszeit, also die Zeit zwischen dem Einsetzens eines Reizes und dem Beginn der Reaktion als Verhaltensresultat des Reizes, liegt bei Pferd zwischen 3/10 und 8/10 einer Sekunde und beträgt maximal 3 Sekunden. Wer mit klassischer oder operanter Konditionierung arbeitet, wer positive und negative Verstärkung mittels eines Reizes einsetzt, sollte dies wissen – um dem Pferd die Möglichkeit zu geben, eine Verbindung zwischen seinem Verhalten und der Veränderung seines Zustandes herzustellen.
Das Beispiel, das Andrea Kutsch wählt, ist die Angst vor der Trense, die Lerntheorie des Shaping, sich dem Ziel sukzessive in kleinen Schritten zu nähern.
Zunächst ist Beobachtung gefragt. Welcher Reiz ist es genau, der das Pferd beunruhigt? Ist es das Gebiss, wenn es ins Maul kommt? Das Hinhalten der Trense? Oder der Moment, in dem sie über die Ohren gestreift wird? Der Augenblick in dem das Pferd sein Verhalten verändert, ist Grundlage des Trainingsplans. Zielsetzung: Das Verhalten, den Kopf still zu halten, soll mehr werden.
Angenommen, das Problem liegt darin, die Trense über die Ohren zu streifen. Wenn man sich also langsam mit der Trense nähert, gilt es, genau in dem Moment anzuhalten, in dem das Pferd beginnt unruhig zu werden, aber noch bevor es zurück weicht. Dann die Trense ruhig halten, warten, bis das Pferd sich beruhigt, sie dann wegnehmen.
An dieser Stelle kommt die Reaktionszeit ins Spiel: Damit das Pferd eine Verbindung zwischen Verhalten (Stillhalten) und Output (Entfernung des Reizes) herstellen kann, muss die Trense schnell, aber natürlich nicht hektisch (Unruhe) entfernt werden. Daher ist es so wichtig, schon auf den Ansatz der Verhaltensänderung zu reagieren, sonst ist der Moment vorbei.
Diese Übung wiederholen, denn nur so lässt sich der Pfad ins Kurz- und Langzeitgedächtnis anlegen. Pauschal lernen Pferde in nur drei Wiederholungen – schon beim zweiten Mal kann die Trense zügiger angenähert werden.